Das Städtezimmer
Nicht Türme oder Mauern sind so feste Bollwerke für die Städte, wie eine Bürgerschaft, die Bildung, Einsicht und andere Tugenden besitzt.
Rede zur Eröffnung der Oberen Schule in Nürnberg 1526: CR 11, 109
Wenn nicht Städte das Licht der Wissenschaft bewahren, wird wieder tiefe Finsternis herrschen überall.
Brief an Hieronymus Besold 1547: CR 6, 370
Auf den zentralen Bücherschrank zwischen den Türen zum Theologen- und Humanistenzimmer ist das Lob des Görlitzers Martin Mylius, eines Schülers Melanchthons, zu lesen:
Wer an des Philippus Schriften Wohlgefallen findet, der wisse, dass er weit vorgeschritten in gelehrter Frömmigkeit und frommer Gelehrsamkeit.
Chronologia scriptorum Melanchthonis, 1582
- Die Bibliothek
In den Schränken des Städtezimmers befindet sich ein großer Teil der Bibliothek des Melanchthonhauses, zurzeit ca. 12.000 Bände. Der Grundstock geht auf Nikolaus Müller zurück, der für das neue Museum hauptsächlich Werke Melanchthons und Luthers sowie Schriften für und wider den Brettener Reformator gesammelt hatte. Die Bestände werden aus Mitteln des Melanchthonvereins durch Neuerscheinungen im Bereich Forschungsliteratur ständig ergänzt. Für Forschungen zur Reformationsgeschichte steht zudem die Handschriftensammlung mit Autographen von Melanchthon, Luther und Bugenhagen zur Verfügung.
In den Vitrinen des Städtezimmers ist neben Martin Luthers Übersetzung des Neuen Testaments vom September 1522 das wertvollste Stück der Urkundensammlung ausgestellt: eine studentische Nachschrift aus der ersten Vorlesung Luthers über den Galaterbrief 1516/17.
- Diptychon
Im Jahr 1525 heiratete Martin Luther die ehemalige Nonne Katharina von Bora. Lukas Cranach d.Ä. schuf danach in Tempera und Öl auf Rotbuchenholz ein Doppelporträt, das schon bald zum Idealbild eines protestantischen Pfarrerehepaars wurde. Das Diptychon wurde in der Folgezeit oft kopiert und gelangte als Schenkung fürstlicher Auftraggeber in viele protestantische Kirchen und Gemeinden.
Das Exemplar des Melanchthonhauses gehört zur Gruppe repräsentativer Bildnisse. Martin Luther trägt Gelehrtenschaube und Barett, Katharina von Bora ist mit Haarnetz dargestellt. Auf türkisblauem Grund sind die geflügelte Schlange, das Signet der Cranach-Werkstatt, und die Jahreszahl 1529 zu erkennen.
Die Namen über den Porträts sind mit lateinischen Bibelzitaten verbunden. Luthers Wahlspruch lautet in seiner eigenen Übersetzung: „Durch stille sein und hoffen würdet ihr stark sein.“ (Jesaja 30,15) Das Bibelzitat im Bildnis der Katharina von Bora unterstreicht die klassische Rollenverteilung in einer Ehe: „Sie aber wird selig werden durch Kinder zeugen.“ (Timotheus 2,15)