Das Städtezimmer

Blick ins Städtezimmer
​Seinen Namen hat dieser Raum von den 121 Wappen, welche die Decke und einen Teil der Wände bedecken. Sie verweisen auf Städte, für die eine Korrespondenz mit Melanchthon nachgewiesen ist. Die Wappen bezeugen das hohe Ansehen, das Melanchthon in ganz Europa genoss, stehen aber auch für den bedeutenden Einfluss, den er auf das Kirchen- und Schulwesen der Stadtgemeinden, auf Universitäten und politische Institutionen ausübte. Die 121 Wappen sind alphabetisch geordnet und umfassen ein Gebiet von Reval im Norden (das heutige Tallinn) bis zu Venedig im Süden und Siebenbürgen (im heutigen Rumänien) im Osten.

Von Dresden bis Leipzig: Wappen unter der Decke des Städtezimmers
In allen vier Räumen des Obergeschosses kommt Melanchthon mit Originalzitaten selbst zu Wort. An der Decke des Städtezimmers finden sich zwei Zitate:

Nicht Türme oder Mauern sind so feste Bollwerke für die Städte, wie eine Bürgerschaft, die Bildung, Einsicht und andere Tugenden besitzt.
Rede zur Eröffnung der Oberen Schule in Nürnberg 1526: CR 11, 109

Wenn nicht Städte das Licht der Wissenschaft bewahren, wird wieder tiefe Finsternis herrschen überall.
Brief an Hieronymus Besold 1547: CR 6, 370

Auf den zentralen Bücherschrank zwischen den Türen zum Theologen- und Humanistenzimmer ist das Lob des Görlitzers Martin Mylius, eines Schülers Melanchthons, zu lesen:

Wer an des Philippus Schriften Wohlgefallen findet, der wisse, dass er weit vorgeschritten in gelehrter Frömmigkeit und frommer Gelehrsamkeit.
Chronologia scriptorum Melanchthonis, 1582
 
  • In den Schränken des Städtezimmers befindet sich ein großer Teil der Bibliothek des Melanchthonhauses, zurzeit ca. 12.000 Bände. Der Grundstock geht auf Nikolaus Müller zurück, der für das neue Museum hauptsächlich Werke Melanchthons und Luthers sowie Schriften für und wider den Brettener Reformator gesammelt hatte. Die Bestände werden aus Mitteln des Melanchthonvereins durch Neuerscheinungen im Bereich Forschungsliteratur ständig ergänzt. Für Forschungen zur Reformationsgeschichte steht zudem die Handschriftensammlung mit Autographen von Melanchthon, Luther und Bugenhagen zur Verfügung.

    In den Vitrinen des Städtezimmers ist neben Martin Luthers Übersetzung des Neuen Testaments vom September 1522 das wertvollste Stück der Urkundensammlung ausgestellt: eine studentische Nachschrift aus der ersten Vorlesung Luthers über den Galaterbrief 1516/17.

    Das Septembertestament von 1522 (Buch der Apokalypse mit Holzschnitt: Die babylonische Hure)
    Epistel des Paulus an die Galater, Wittenberg 1516. Das Buch wurde mit großem Zeilenabstand und breitem Rand speziell für studentische Mitschriften gedruckt.
  • Diptychon mit Bildnissen von Martin Luther und Katharina von Bora, Lukas Cranach d.Ä. 1529

    Im Jahr 1525 heiratete Martin Luther die ehemalige Nonne Katharina von Bora. Lukas Cranach d.Ä. schuf danach in Tempera und Öl auf Rotbuchenholz ein Doppelporträt, das schon bald zum Idealbild eines protestantischen Pfarrerehepaars wurde. Das Diptychon wurde in der Folgezeit oft kopiert und gelangte als Schenkung fürstlicher Auftraggeber in viele protestantische Kirchen und Gemeinden.

    Das Exemplar des Melanchthonhauses gehört zur Gruppe repräsentativer Bildnisse. Martin Luther trägt Gelehrtenschaube und Barett, Katharina von Bora ist mit Haarnetz dargestellt. Auf türkisblauem Grund sind die geflügelte Schlange, das Signet der Cranach-Werkstatt, und die Jahreszahl 1529 zu erkennen.

    Die Namen über den Porträts sind mit lateinischen Bibelzitaten verbunden. Luthers Wahlspruch lautet in seiner eigenen Übersetzung: „Durch stille sein und hoffen würdet ihr stark sein.“ (Jesaja 30,15) Das Bibelzitat im Bildnis der Katharina von Bora unterstreicht die klassische Rollenverteilung in einer Ehe: „Sie aber wird selig werden durch Kinder zeugen.“ (Timotheus 2,15)