Kirchenaufbau
Nach ihrer Abspaltung von Rom stand die neue evangelische Kirche vor der Aufgabe, sich selbst zu organisieren. In den Städten und Gemeinden mussten Pfarrstellen besetzt und die bereits eingesetzten Pfarrer in den Grundsätzen der evangelischen Lehre geschult werden. Philipp Melanchthon hatte schon 1522 eine deutsche Übersetzung seiner Loci Communes, der ersten systematischen evangelischen Glaubenslehre, publiziert. Die Heubtartikel Christlicher Lere wurden später zusammen mit der Augsburger Konfession von 1530 zu den anerkannten Grundlagen der evangelischen Kirchenlehre. In der Widmung seiner Hauptartikel für den Stolberger Pfarrer Tilemann Plettener (1490—1551) beschrieb Melanchthon mit einfachen Worten, worum es ihm bei der Schulung der Geistlichen ging:
Allhier werden angezeigt die vornehmsten Artikel und Stellen der christlichen Lehre, Schrift und Kunst, damit die jungen Gesellen vermerken mögen, was man in der Heiligen Schrift am meisten suchen soll. [...] Ich möchte, wo ich könnte, etliche zu der Heiligen Schrift bringen und locken.
Seit 1527 ließ Johann der Beständige im Kurfürstentum Sachsen Visitationen abhalten, um ein Bild über die Lage der evangelischen Kirche zu erhalten. Die erste Visitation in Thüringen leitete Melanchthon. Über die Lage vieler Kirchengemeinden entsetzt, veröffentlichte er 1528 seinen Unterricht der Visitatoren, mit Ausführungen zur Gottesdienstordnung, zum Predigtamt, zur Sakramentenlehre und vielen weiteren Themen. Die kursächsischen Pfarrer sollten über ihre Pflichten bei der Leitung von Gemeinde und Schulunterricht informiert und nach diesen Grundsätzen auch in ihrer Amtsführung geprüft werden. Das gesamte Kirchen- und Schulwesen in Kursachsen wurde nach dieser Ordnung Melanchthons aufgebaut. Auch in anderen evangelischen Ländern wurden seine Visitationsartikel zur Grundlage für die Kirchenorganisation.